GEMEINDE UZWIL ZEIGT KULTURELLE SCHÄTZE VON GEHR UND RIMENSBERGERS

(pd/Bilder: YG) Vom 25. November bis 13. Dezember 2019 lädt die Gemeinde Uzwil zu einer besonderen Ausstellung ein. Im „Atelier“ im Erdgeschoss des Gemeindehauses am Stickereiplatz 1 in Uzwil werden die Werke von drei grossen Uzwiler Kunstmalern gezeigt: Ferdinand Gehr sowie von Georg und Leo Rimensberger. Impressionen von der Vernissage am Freitagabend und Informationen über die Künstler geben wir an dieser Stelle weiter.


Die Ausstellung ist für die Bevölkerung bis 13. Dezember wie folgt zugänglich:
Montag: 08:00 bis 11:30 Uhr / 13:30 bis 18:30 Uhr
Dienstag bis Freitag:  08:00 bis 11:30 Uhr / 13:30 bis 17:00 Uhr


Thomas Stricker über die Ausstellung

„Ferdinand Gehr, Georg Rimensberger, Leo Rimensberger. Allen drei Persönlichkeiten gemeinsam ist: Sie waren Künstler und Bürger unserer Gemeinde. Sie wurden in diesem Lebensraum geboren, wuchsen hier auf, haben hier ihre Spuren hinterlassen – bis hinein ins Gemeindearchiv.
Die Ausstellung mit Schätzen des Archivs ist eine Premiere, ist auch ein Versuch. Interessiert die Menschen, was in unserem Archiv sicher für die Nachwelt erhalten wird? Schätze hat’s dort, das zeigt diese Ausstellung.

Georg Rimensberger stand Ferdinand Gehr und seiner Kunst sehr nahe. Die Beeinflussung ist greifbar. Das erleben Sie auch in der Ausstellung. Und gleichzeitig dürfte Leo Rimensberger seinem älteren Bruder Georg über die Schultern geschaut haben. Der Zusammenhang der Werke dieser drei Menschen: Das ist der Kern der Ausstellung.
Familie Rimensberger hat dem Archiv Werke von Leo und Georg übergeben, um sie in ihrer Gesamtheit für die Öffentlichkeit zu erhalten. Dieser Schatz macht die Ausstellung erst möglich. Ergänzend hat uns die Ortsgemeinde Wil Objekte und Dokumente aus dem grafischen Nachlass von Georg Rimensberger zur Verfügung gestellt. Franziska Gehr und die Gehr-Stiftung haben uns mit Rat und Tat unterstützt. Herzlichen Dank für die überall offenen Türen!“

Und so wünschen wir Ihnen frohes Eintauchen in die Schätze des Uzwiler Archivs.
Thomas Stricker, Verwaltungsleiter


Impressionen von der Vernissage

Die Werke der berühmten Uzwiler Kunstmaler stossen auf grosses Interesse.
Erfreut über die einzigartig Ausstellung und auch stolz auf die Uzwiler Kunstmaler: Gemeindepräsident Lucas Keel (rechts) und Verwaltungsleiter/Kurator Thomas Stricker.
Für eine passend hochstehende musikalische Umrahmung der Vernissage sorgte Pianistin Dr. Immin Chung Poser aus Oberuzwil.
Eugen Rimensberger, genannt Gene – Bruder des Künstlers –, hat Leos Werk nach dessen Tod zusammengetragen und zusammengehalten. 2014 übergab er es der Gemeinde. Als Zeichen der Verbundenheit mit Uzwil.
Der Vernissage die Ehre erwies auch Franziska Gehr, die Tochter des begnadeten Kunstmalers Ferdinand Gehr, der in Uzwil aufgewachsen war und in Altstätten lebte.
Die Chefinnen und der Chef de Service: Lernende der Gemeinde Uzwil (v.l.): Meta Fraefel, Steven Jacobsen, Lea Tran und Vanessa Baumann.
Der gesunde Apéro sorgte nach der geistigen Nahrung für die leibliche Stärkung.

Ferdinand Gehr 1896 bis 1996

Der Garten war das Reich seiner Frau, sie pflegte ihn mit viel Liebe. Gärtnern sagte ihm nichts. Der Garten bereitete ihm aber grosse Freude. Jede Blume war für ihn nicht nur eine Blume, sondern auch ein eigenes Wesen. Dem er mit Respekt und Hochachtung begegnete. Seine Blumenaquarelle lagen ihm denn auch gleichermassen am Herzen wie die anderen Themen seines Wirkens.

Henauer Bürger

Ferdinand Gehr wurde am 6. Januar 1896 im beschaulichen Dörfchen Niederglatt geboren und wuchs dort auf. War Bürger der Gemeinde Henau. Und legte Wert auf Henau. Nicht Uzwil. In Niederuzwil an der Marktstrasse hatte er einst sein Atelier. Seinen Lebensmittelpunkt fand er später im Rheintal, in Altstätten. Dort verstarb er 1996.

Stickerei stand am Anfang

Er begann seine berufliche Laufbahn als Stickereizeichner, Er machte sich selbstständig, entwarf Stickereien und liess die Muster von seinen Schwestern umsetzen. Eines dieser Muster ist in seinem Raum im Uzwiler Gemeindehaus zu sehen. Interessant zu erkennen, wie schon in den damaligen Stickereien sein späteres Werk, sein Weg vorgezeichnet scheint.

Erneuerer sakraler Kunst

Ferdinand Gehr schuf bedeutende sakrale Werke, Fresken, Sgraffiti, Glasmalereien, Blumenaquarelle, Landschaften, Farbholzschnitte. Anfänglich war er höchst umstritten. 1954 verlangte der dortige Bischof, vor der Weihe der Kirche St.Anton in Wettingen Gehrs Apsismalerei zu verstecken. Noch 1957 musste sein Werk in der Kirche Oberwil im Kanton Zug nach Protesten aus der Bevölkerung abgedeckt werden. Das Für und Wider um dieses Werk beschäftigte Menschen und Medien. Hat er darunter gelitten? Seine Tochter Franziska verneint. Er habe sich damals zwei Tage zurückgezogen, sich und seine Arbeit tief hinterfragt. Und habe dann im Reinen mit sich und seinem Werk unbeirrt weitergearbeitet. Tempi passati. Gehr ist inzwischen als bedeutendster Erneuerer der sakralen Kunst im 20. Jahrhundert, als herausragender bildender Künstler des 20. Jahrhunderts anerkannt, geschätzt und bewundert. In reduzierten, einfachen und klaren Formen stellte er das für ihn Wesentliche dar. Zuweilen in einer expressiven Farbkraft und mit gewagten Farbkompositionen.
Monumental Kunst am Bau war seine Passion, sein Herz schlug für das Monumentale. Bis ins hohe Alter nahm er Aufträge dafür immer wieder an. Oft auch für sein Umfeld überraschend. Mit seinem Sgraffito prägt ein solches Werk den Lichthof des Gemeindehauses. Gehr schuf es 1954 in Goldach. Als das Gebäude abgebrochen wurde, retteten Vereinigung für Kulturgut, Arbeitgebervereinigung und Gemeinde das Werk für Uzwil.

Starke Frauen

Ferdinand Gehr war ein zurückhaltender Mensch. Er war tiefgläubig, ohne frömmlerisch zu sein. Lebte einfach und pflegte eine positive Einstellung gegenüber der Schöpfung und seinen Mitmenschen. Gleichzeitig wusste er selbstbewusst um seine Bedeutung. Seinen Durchbruch und die Möglichkeit, von der Kunst gut zu leben, erreichte er in einem Alter, in dem andere pensioniert werden. Für ihn gab’s keine Pension. Mehr als sieben Jahrzehnte umspannte seine Schaffenszeit. Das war ihm nur möglich, weil seine Frau und später seine Tochter Franziska ihm den Rücken freihielten, damit er seinen Weg gehen konnte.


Georg Rimensberger 1928 bis 1998

Klare Bildaussage auf kleinem Raum: Seine Pro-Juventute-Marken machten Georg Rimensberger in der Schweiz bekannt. Gleich mehrfach gestaltete er Schweizer Marken und verband dort das Grafische mit der Kunst. Grafik und Kunst: Zwei Welten, die ihn zeitlebens begleiteten.

Ein «Textiler»

Georg Rimensberger kam 1928 in Niederuzwil zur Welt. Nach einer Lehre als Stoffdruckentwerfer folgte eine künstlerische Ausbildung am Gewerbemuseum in St. Gallen. Daran schloss sich ein Volontariat in einem grafischen Atelier an, das mit einer Weiterbildung an der Kunstgewerbeschule St. Gallen gekoppelt war. Nach einem Studienaufenthalt in Rom fühlte sich Georg Rimensberger für eine selbstständige Tätigkeit als Grafiker und Maler gerüstet. Einer seiner ersten grossen Aufträge? Er gestaltete den ganzen grafischen Auftritt für die 1200-Jahr-Feier «seiner» Gemeinde Henau, wie Uzwil damals hiess. Vom Festumzug über die Zeitungsbeilagen, die Plakate, Publikationen, die Postkarten, welche damals mit dem Gasballon befördert wurden, alles stammte aus seiner Feder. Als Grafiker gestaltete er Vereinsfahnen, Plattencover und Produkteverpackungen ebenso wie die Erscheinungsbilder verschiedener Firmen und Organisationen. Die Logos der Vereinigung für Kulturgut und der Harzenmoser Maler und Gipser sind nur zwei Beispiele davon. Schauen Sie sich die Wirtshausschilder von Ochsen und Landhaus in Niederuzwil an. Genau, Georg Rimensberger. Quasi nebenher beschäftigte er sich intensiv auch mit Heraldik, mit historischer Forschung und verschiedenen anderen Themen. Was er tat, tat er fundiert.

Von der Grafik zur Kunst

Grafik und Kunst: Die Grenze ist oft fliessend. Und irgendwie liegt auf der Hand, dass grafisch tätige Menschen sich der Kunst zuwenden. Diesen Weg ging auch Georg Rimensberger. Wobei einst in einem Artikel über ihn zu lesen war, dass gerade seine Schulung als Grafiker ein Handicap auf dem Weg zum persönlichen Stil in der Kunst war, weil dadurch die Gefahr bestehe, ins plakatmässige, ins Könnertum abzusinken. Diesen Schritt habe er überwunden.

Sichtbare Inspiration

Georg Rimensberger machte nie einen Hehl aus seiner Verehrung für Ferdinand Gehr. Er war stark inspiriert von dessen Schaffen. Die beiden Künstler pflegten einen regelmässigen Austausch. Pater Thaddäus Zingg, ein Kenner der beiden, führte dazu aus: «Es wäre oberflächlich und sehr ungerecht, in seinen Bildern Ableger oder gar Plagiate zu sehen. Gegenseitige Beeinflussung gab es in allen Kunstperioden. Entscheidend ist jeweils, wi langsam auseinanderstrebt.» Und er konstatierte, dass sich in Georg Rimensbergers Werk zusehends wesentliche persönliche Eigenheiten verdeutlichten.

Wiler und Uzwiler

Ab 1971 wohnte Georg Rimensberger in Wil, wo er an der Marktgasse ein Altstadthaus mit Atelier besass. Er schuf in seiner künstlerischen Laufbahn Bildteppiche, Aquarelle, Bilder und Drucke sowie Kunst am Bau, etwa die detailreiche Karte der damaligen Gemeinde Henau in der Schulanlage Herrenhof, den Betonfries im Kindergarten Bankstrasse oder die Postkutsche an einem Haus an der Ochsenkreuzung. Nach seinem Tod im Jahre 1998 ging ein grosser Teil seines künstlerischen und grafischen Nachlasses an die Ortsgemeinde Wil. In den letzten Jahren übergaben seine Angehörigen einen grossen Querschnitt seines künstlerischen Schaffens der Gemeinde Uzwil als Zeichen der Verbundenheit. So dürfte das Schaffen von Georg Rimensberger auf Dauer für die Öffentlichkeit erhalten bleiben.


Leo Rimensberger 1943 bis 1975

Leo Rimensberger war ein rast- und ruheloser Künstler, lebte intensiv und impulsiv. Vernichtete einst in einer spontanen Aktion prak tisch sein ganzes Werk. Arbeitete dann intensiv weiter. Als Stein metz, Bildhauer, Maler und Zeichner. Im öffentlichen Raum gibt’s von ihm zwei Brunnen. Einen beim Ochsen in Niederuzwil, einen bei der Kirche in Henau. Verkauft hat er zu Lebzeiten kaum. Er sah die Bilder als Teil von sich.

Schön?

«Der Bund» schrieb einst: «Diese Bilder sind nicht mit dem Anspruch entstanden, schön zu sein, und sind es trotzdem; was trägt, ist die Spontaneität und Ehrlichkeit dem Empfundenen gegenüber.» Die Einführung in eine Gedenkausstellung nach seinem Tod drückte es so aus: «Rimensbergers Bilder machen betroffen!» Und verwies auf Picassos Aussage: «Die Malerei wurde nicht dazu geschaffen, um Wohnungen zu schmücken, sie ist eine Waffe des Angriffs, eine Verteidigung gegen den Feind.» Der damalige Macher der Gedächtnisausstellung ergänzte: «Leo Rimensbergers Arbeiten werden damit zu einem Massstab für die Produkte vieler heutiger Künstler, die so sehr aufs Kunst- machen aus sind und doch bestenfalls Wohnungsschmuck herstellen.»

Sich und sein Werk nicht geschont

Auffällig ist auch der Untergrund der Bilder. Wenig Leinwand. Oft Papier, Holz, Karton. Ausgefranst, oft zerschnitten oder angesetzt. «Der Bund» damals: «Jeder Fetzen Papier ist gut genug, reicht der Platz nicht aus, wird ein Stück angesetzt, Rückseiten bemalter Blätter werden nicht geschont.» Auch sich hat Leo Rimensberger nicht geschont. Viele seiner Bilder lassen seinen Kampf mit sich, mit dem Leben, mit der Gesellschaft erahnen. Einen Kampf, den er beendete, als er 32-jährig aus dem Leben schied. Geblieben ist sein Werk. Eindrücklich, ausdrucksstark. Ohne Anspruch zu gefallen. Zeitlos. Mysteriös.

Leo Rimensbergers Leben

Leo Rimensberger wurde am 31. Januar 1943 in Niederuzwil geboren. Nach der Schulzeit besuchte er die Kunstgewerbeschule. Es folgte die berufliche Aus- und Weiterbildung als Bildhauer. 1968 bis 1974 arbeitete er im eigenen Atelier in St. Gallen. Er war rastlos tätig als Bildhauer, Steinmetz, Zeichner, Maler. Führte öffentliche Aufträge aus, gewann Wettbewerbe, schrieb Theorien über die Wichtigkeit der Solarenergie in der Zukunft. 1971 stellte er seine Arbeiten in der Galerie Zähringer in Bern aus. Es blieb seine einzige öffentliche Ausstellung. 1974 wurde er wegen eines Nervenleidens in einer psychiatrischen Klinik behandelt, im Oktober «in recht gutem Zustand» entlassen. Wenige Wochen später wurde er wieder in die Klinik geschickt. Die Weihnachtsfeiertage verbrachte er in Bern. Er beklagte sich über die Verminderung der schöpferischen Kraft. Nach Neujahr 1975 kehrte er in die Klinik zurück. Am 5. Januar wurde er tot aufgefunden. In seinem Taschenkalender setzte er neben die Rubrik «meine Adresse» nur die Worte: «Wünsche Erdbestattung».


 

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