BISCHOFSZELL: BRUNCH UND BUNDESFEIER IM CORONA-JAHR

Nicolo Paganini hielt die Festrede und freute sich, in seiner Heimatstadt zu weilen.


Trotz Corona hatte sich die Stadt Bischofszell entschlossen, den traditionellen 1. August-Brunch mit anschliessender Feier durchzuführen – selbstverständlich coronakonform mit Registrierung der Teilnehmenen. Festredner war der im Städtchen aufgewachsene CVP-Nationalrat Nicolo Paganini. Umrahmt wurde der Anlass von der Stadtmusik unter der Leitung von Roger Ender. 


Nach vielen Wochen Zwangspause durften die Musikantinnen und Musikanten wieder einmal öffentlich auftreten.

(Vroni Krucker)

In Bischofszell genossen rund 140 Personen den reichhaltigen 1. August-Brunch in der Bitzi-Halle und genossen das anschliessende gemütliche Beisammensein unter den Schatten spendenden Bäumen. Der Präsident des Verkehrsvereins, Hans-Martin Baumann, freute sich über die zahlreichen Gäste und die gute Stimmung. Einen besonderen Gruss entbot er dem Festredner, CVP Nationalrat Nicolo Paganini. Auch Stadtpräsident Thomas Weingart gab seiner Freude über die Anwesenheit des Gastes und dem Stück wieder eingekehrter Normalität Ausdruck. «Dass Nicolo heute bei uns ist, und dass er hier in Bischofszell sein erstes Bier getrunken und mit 17 Jahren seinen ersten Rausch ausgestanden hatte, steht sogar in der Berner Zeitung», erzählt er lachend.

Stadtpräsident Thomas Weingart begrüsst die Teilnehmenden und den Festredner.

Ein Bischofszeller daheim

«350m Luftlinie von hier bin ich aufgewachsen und gefühlte 2000 Mal über die Espen-Passarelle zur Schule gelaufen. Hier wurde ich sozialisiert, war in verschiedenen Vereinen aktiv, habe den ersten Liebeskummer erlebt, das erste Glas Bier zu viel getrunken und erste Schritte in Beruf und Politik gemacht. Vor 35 Jahren durfte ich mit damals 19 Lenzen schon einmal eine 1. August-Ansprache halten – all dies verbinde ich immer mit der wunderschönen Stadt oder dem Städtchen wie wir damals weniger selbstbewusst sagten. Anfangs der 90er Jahren meinte der damalige Gemeindeammann, er sei lieber en Städtliammann als e Stadtämeli.

Keine Rede ohne Covid-19 …..

…..um dieses Thema komme im jetzigen Zeitpunkt niemand herum, betonte der Referent, gebe es doch keine Fussballspiele mit Publikum, keine Olympiade, keine Jahrmärkte, Messen, Konzert, keine offenen Restaurants usw.  Natürlich könne der Mensch ohne Jahrmarktbesuch leben, aber unsere Ausgaben seien die Einnahmen der Marktfahrer und Schausteller. Viele Wirtschaftssektoren lebten mit bitteren Zukunftsaussichten. Das Virus sei nicht weg, und ein Impfstoff lasse auf sich warten. Die Schweiz habe sich gut geschlagen in dieser Krise betont er mit der Aussage: «Ich sehe kein anderes Land, welches insgesamt erfolgreicher war». Dank der sehr gesunden Bundesfinanzen – die man nicht zuletzt der oft gescholtenen Schuldenbremse zu verdanken habe – konnte die Wirtschaft rasch unterstützt werden. Unsere Gesellschaft habe sehr viel Solidarität bewiesen, und dies sei weiterhin notwendig.

Jede Krise hat ein Ende

Im alten Wappen der Stadtwappen sei das sehr eindrücklich symbolisiert. Es zeigte nicht nur – wie heute – den Bischofsstab, sondern auch drei Flammen für die drei Stadtbrände und vor allem drei Stern für den jeweiligen Wiederaufbau = Hoffnung. Vieles werde sich durch dieses vermaledeite Virus ändern, einiges werde bleiben. Vielleicht nicht mehr die mehr oder weniger sinnlosen Businessreisen um den ganzen Globus, dafür eine neu entdeckte Lust an Ferien in der Schweiz über die Grenzen der Sprachregionen hinweg.

Staat kann nicht alle Probleme lösen

Vor dem einen Erbe fürchtet sich der Referent, auf das andere hofft er. Furcht habe er vor dem Glauben, der Staat könne jedes noch so grosse Problem lösen. Natürlich habe es viele positive Anreize gegeben, wie Kurzarbeit, Covid-Kredite usw. Dank der Negativzinsen könnten sich heute die Staaten Ausgaben leisten, die mit normalem Zinsumfeld nicht finanzierbar wären, aber die Zinsen würden wieder steigen. Er ist überzeugt, dass das Abschieben der Lösung von immer mehr Problemen an den Staat längerfristig eine Sackgasse ist.  Freiheit und Solidarität, nicht staatsgläubige Vollkasko-Mentalität seien das Erfolgsrezept für die Schweiz.

„Lappi tue d’Auge uf“

Dieser Spruch seines ehemaligen Lehrers Anton Fontanive war Leitspruch seiner weiteren Rede. In Bezug auf eine Pandemie hätten viele Akteure zu wenig getan. Sars und Schweinegrippe seien ohne Folgen an der Schweiz vorbeigegangen, die Augen davor verschlossen worden. Vielleicht helfe Corona, diese wieder offen zu halten bei diversen Herausforderungen. Speziell nannte er die Altersvorsorge, wo die Pyramide stetig nach oben steige. Trotzdem würde viele noch immer glauben, man könne mittel- bis langfristig auf die Erhöhung des Rentenalters verzichten. Das Gleiche gelte für die zweite Säule, wo im Tiefzinsumfeld mit zu hohen Rentenversprechen eine milliardenschwere Umverteilung zu Lasten der jungen Generation im Gange sei «Lappi tue ‘Auge uf». Ein weiteres Beispiel sei die Stromversorgung. Der Bezug aus dem Ausland sei sehr fraglich, schaue doch im Krisenfall jedes Land zuerst für sich. Es gelte, dafür zu sorgen, dass die Schweiz auf längere Sicht nicht in einen katastrophalen Strommangel laufe.

Grosse Herausforderungen vor uns

Weitere Themen: der Klimawandel, der nicht verschwindet, weil man ihn leugnet. Die Beschaffung zeitgemässer Kampfflugzeuge, damit die Armee in einem – hoffentlich nicht eintretenden  – Szenario ihren Beitrag zur Sicherheit leisten kann oder das Verhältnis zur EU als wichtigstem Absatzmarkt für unsere Exportwirtschaft, wo mit der nächsten Volksabstimmung die Kündigung der ganzen bilateralen Verträge I und damit tausende Arbeitsplätze riskiert werde, «Lapi tue d’Auge uf».

Stolz, Schweizer zu sein

Paganini: «Sie hören eine 1.August-Rede ohne Rütlischwur und Wilhelm Tell, nicht aber ohne Nationalstolz. Ich bin stolz, Schweizer zu sein, hier zu leben, und dazu musste ich nichts beitragen. Wir dürfen stolz sein auf die Leistungen von vielen Generationen vor uns. Den eigenen Stolz aufs «Schweizer sein», müssen wir uns selbst verdienen in verschiedensten Formen, in Familie, Arbeitsplatz, Vereinen, in Gesellschaft oder Politik. Das Ziel muss sein, der nächsten Generation eine bessere Schweiz zu hinterlassen, als wir sie angetreten haben. Das gilt erst recht mit Corona. Erst wenn wir das erreicht haben, dürfen wir stolz darauf sein, Schweizer zu sein.

Hedi Hotz überreicht Nicolo Paganini Blumen und Bischofszeller Bier.
Yvonne Graf und Titus Thür waren mit dem Team verantwortlich für den Brunch.
Der frühere Stadtpräsident Josef Mattle gehörte zu den Gästen.

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