«SCHLAG INS GESICHT FÜR DETAILLISTEN»

Der Lockerungsplan des Bundesrates ist für viele KMU stossend. Der Kantonale Gewerbeverband St.Gallen schickt gleich selbst einen Brief nach Bern.

Im Titelbild v.l.: Bruno Damann (Regierungsrat), Andreas Hartmann (Präsident Gewerbe SG) und Felix Keller (Geschäftsführer Gewerbe SG)


Der KGV begrüsst zwar die Absicht des Bundesrates, schrittweise zur Normalität zurückzukehren. Völlig inakzeptabel ist jedoch, den grossen Händlern alle Freiheit zu geben und den KMU-Handel geschlossen zu halten. Das ist eine massive Diskriminierung.

Verschiedene Branchen, insbesondere im Detailhandel, haben mit selbst erarbeiteten Plänen gezeigt, wie sie die Öffnung gesundheitspolitisch korrekt umsetzen können. Sie legen dabei grossen Wert auf die Gesundheit der Mitarbeiter und Kunden. Gerade vor diesem Hintergrund ist der Entscheid des Bundesrates ein Schlag ins Gesicht der Detaillisten.

Dabei ist der KMU-Detailhandel schon während der Krise massiv diskriminiert worden, da den Grossverteilern zwar verboten wurde, nicht-lebensnotwendige Güter zu verkaufen, sie aber ansonsten geöffnet bleiben durften. Mit seinem gestrigen Entscheid hat der Bundesrat die Diskriminierung der KMU-Händler sowie ihrer Mitarbeiter und ihrer Kundschaft offiziell gemacht.

Der KGV bittet Bruno Damann, Vorsteher des St.Galler Volkswirtschaftsdepartements, umgehend beim Bundesrat eine breite Öffnung für den KMU-Detailhandel ab dem 27. April zu erwirken. Zudem sollen dann auch die Autogaragen wieder ihre Verkäufe aufnehmen dürfen.

Der KGV-Brief an den Bundesrat im Wortlaut:


Corona-Pandemie: Wir fordern die Öffnung des KMU-Detailhandels und weitere Planungssicherheit

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte

Der Kantonale Gewerbeverband St.Gallen (KGV) hat die am 16. April vom Bundesrat vorgestellten Exit-Pläne zur Kenntnis genommen. Auch wenn wir die an die epidemiologische Lage angepasste Öffnung begrüssen, sind für uns die Entscheide betreffend dem Detailhandel (sowie Autohandel) inakzeptabel.

Genauso wie der Bundesrat setzen auch wir auf eine etappierte Rückkehr zur Normalität. Diese Etappierung muss in Funktion der gesundheitspolitischen lndikatoren erfolgen. Diese lndikatoren entwickeln sich sehr zufriedenstellend. Der 3-Tages-Durchschnitt der Ansteckungsrate betrug per 16. April 20201.5 Prozent pro Tag, die Anzahl Tage bis zur Fallverdopplung 49.3. Diese lndikatoren erlauben eine weitgehende Öffnung der Wirtschaft und Gesellschaft. Dieses Urteil scheint auch der Bundesrat zu teilen, ansonsten würde er den «Betrieben mit personenbezogenen Dienstleistungen mit Körperkontakt» keine Öffnungserlaubnis geben.

Der Entscheid des Bundesrates ist jedoch ein Schlag ins Gesicht des KMU-Detailhandels. Vor allem die eklatante Ungleichbehandlung innerhalb des Detailhandels selbst – der KMU-Detailhandel bleibt geschlossen, aber die Grossverteiler dürfen das gesamte Sortiment verkaufen – stösst bei uns und bei unseren Mitgliedern auf Unverständnis. Die Enttäuschung und Fassungslosigkeit des KMU-Detailhandels ist spürbar. Denn: Gerade diese KMU haben mit selbst erarbeiteten Plänen gezeigt, wie sie die Öffnung gesundheitspolitisch korrekt umsetzen können. Sie legen dabei grossen Wert auf die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie der Kunden. Dass einige Handelsbetriebe, namentlich die Grossverteiler Migros und Coop, während des vergangenen Monats geöffnet blieben, zeigte bereits, dass es möglich ist, entsprechende Konzepte im Detailhandel umzusetzen.

Die Öffnung der Grossverteiler belegt aber auch etwas anderes: Der KMU-Detailhandel ist schon während der Lockdown-Phase bis zum 26. April 2020 massiv diskriminiert worden. Der Bundesrat hat den Grossverteilern zwar verboten, nicht-lebensnotwendige Güter zu verkaufen. Umgesetzt hat der Bundesrat seine eigene Weisung nie. Selbst die Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren musste die Regierung auffordern, die Grossverteiler besser zu kontrollieren. Staatssekretärin Marie-Gabrielle lneichen-Fleisch taxierte die Ungleichbehandlung sogar als eine Lappalie.

Mit seinem gestrigen Entscheid, die Sortimentsbeschränkungen aufzuheben, hat der Bundesrat die Diskriminierung der KMU-Händler sowie ihrer Mitarbeitenden und ihrer Kundschaft offiziell gemacht. Diese staatlich verordnete Bevorteilung der Grossverteiler und die krasse Benachteiligung der KMU ist alles andere als gesundheitspolitisch geboten. Sie ist vielmehr absolut willkürlich. Wir verurteilen diese Diskriminierung auf das Schärfste und fordern den Bundesrat auf, auf seinen Entscheid unverzüglich zurückzukommen. Ab dem 26. April soll auch dem KMU-Detailhandel (sowie dem Autohandel) erlaubt werden, zu öffnen – selbstverständlich unter Einhaltung der gesundheitspolitischen Vorgaben und der eigenen Branchenpläne.

Um diesen Punkt nochmals zu betonen: Der Entscheid des Bundesrates entbehrt jeglicher Logik. In der Pressekonferenz am 16. April wurde gesagt, das Schutzkonzept der Branche ermögliche, den Coiffeuren zu öffnen. Als der Bundesrat gefragt wurde, warum andere Branchen, die ein Konzept erarbeitet haben, nicht öffnen können, lautete die Antwort, die Konzepte seien nicht relevant. Das kann niemand verstehen. Auch widersprüchlich ist, dass der Bundesrat den sogenannten Einkaufstourismus verbietet und die Vorschriften dazu verschärft, aber nicht bereit ist, im Inland eine Alternative zuzulassen.

lm Weiteren fordern wir Sie auf, Planungssicherheit für weitere Branchen unserer Wirtschaft zu schaffen. Insbesondere die Gastro-/Tourismusbranche wird in der bundesrätlichen Medienmitteilung nicht erwähnt. Wir erwarten, dass Sie auch dieser Branche eine Lockerung in den nächsten Phasen in Aussicht stellen und kommunizieren.

Wenn der Bundesrat weiterhin glaubwürdig bleiben will, sollte er darauf achten, logische Entscheide zu fällen und so zu kommunizieren, dass die Bevölkerung diese Logik auch versteht. Seit Ihrem Entscheid laufen bei uns die Drähte heiss und unsere KMU-Mitglieder sind ob Ihres Entscheides fassungslos und aufgebracht. Gerade am Tag der Solidarität, an dem auch die Glückskette sammelt, hätten die KMU-Unternehmer echte Solidarität erwartet, die sie in ihrer enorm schwierigen Lage auch entsprechend wirkungsvoll unterstützt. Gerne erwarten wir Ihre Stellungnahme und sind zu weitergehenden Gesprächen gerne bereit.

Andreas Hartmann (Präsident), Felix Keller (Geschäftsführer)


 

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