SEIT ÜBER VIERHUNDERT JAHREN EINE KAPELLE IN ZUCKENRIET

Am 25. April hätte in der Kapelle Zuckenriet das Patrozinium des Heiligen Georg gefeiert werden sollen, dem das Gotteshaus geweiht ist. Das Coronavirus macht jedoch dem geplanten Festgottesdienst einen Strich durch die Rechnung, sind doch öffentliche Gottesdienste gemäss den Vorgaben des Bundes und des Bistums bis auf weiteres nicht möglich.

Im Titelbild: Die Zuckenrieter Jugend versammelte sich vor der Grundsteinlegung bei der alten Kapelle.


(Ernst Inauen)

Wenn auch alle Gottesdienste wegfallen, so sind die Kirchen für Besuche von Einzelpersonen offen. Allerdings wird von den Fachleuten für die Risikogruppen von einem Ausgang in den öffentlichen Raum eher abgeraten. Um trotzdem eine emotionale Verbindung zur Georgskapelle zu ermöglichen, möchten wir mit einem Artikel an die lange, bewegte Geschichte von Zuckenriet und seiner Kapelle erinnern. Der Name Zuckenriet (Zuckinreod) wird urkundlich erstmals im Jahr 782 erwähnt. Ein Roadbert übertrug damals die Hälfte seines Besitzes in Zuckenriet dem Kloster St.Gallen. Seit über 400 Jahren besteht im Dorf auch eine Kapelle, die dem heiligen Georg geweiht ist. Anfangs des 17. Jahrhunderts raffte auch in unserer Region eine Seuche zahlreiche Menschen dahin. 1611 gelobte einer der wenigen Zuckenrieter Dorfbewohner, die von der Pest und Seuche verschont blieben, aus Dankbarkeit eine Kapelle zu bauen. Der Chronist berichtet: “Dekan und Konvent des Stiftes St.Gallen bewilligen am 8. November 1611 dem Ammann und der ganzen Gemeinde Zuckenriet zur Ehre Gottes und der heiligen Aebte Gallus und Otmar allernächst dem Dorf eine neue Kapelle, 12 Fuss breit und mindestens 24 Fuss lang, zu erbauen“. Die gesamte  Unterhaltspflicht wurde aber dem Dorf Zuckenriet übertragen. Der Pfarrer von Niederhelfenschwil trug die Aufsicht über das kleine Gotteshaus in Zuckenriet. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es renoviert und räumlich erweitert.

Die alte Kapelle stand bei der Abzweigung der heutigen Leo Jung-Strasse in die Dorfstrasse.

Für Kapellneubau gesammelt

Pfarrer Ludwig Wendlinger, der bis 1955 in Niederhelfenschwil wirkte, war den Zuckenrietern wohl gesinnt. Er ermöglichte vermehrte Gottesdienstfeiern in der Kapelle, die dem heiligen Georg geweiht war. In den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde ein so genannter „Fünfrappenverein“ gegründet mit dem Ziel, mit freiwillig gespendeten Mitteln eine Turmuhr anzuschaffen. Alle Mitglieder entrichteten pro Woche einen Beitrag von fünf Rappen. So kam in wenigen Jahren eine respektable Summe zusammen. Pfarrer Wendlinger und verschiedene Experten waren jedoch der Überzeugung, dass das „Chapeli“ zu klein und baufällig sei. So entschieden sich die Kapellbürger, für einen grösseren Kapellneubau zu sammeln, Der langjährige Kapellpräsident Leo Jung (1898 – 1983) war von dieser Idee überzeugt. Es gelang ihm, die Dorfbevölkerung für dieses Vorhaben zu begeistern und bei zahlreichen auswärtigen Gönnern Spendengelder zu regenerieren. Mit einem unglaublichen Einsatz und seinem breiten Beziehungsnetz setzte er das Vorhaben zielstrebig um. Eine während mehreren Jahrzehnten zusätzlich eingeforderte Kapellsteuer, die zeitweise bis zu 20 % betrug, sowie verschiedene Festaktivitäten ermöglichten es, die Finanzen für einen Neubau zusammen zu bringen.

Grossen Anteil an der Realisierung des Kapellneubaus ist dem langjährigen Kapellpräsidenten Leo Jung zuzusprechen.

Glocken und Kunst aus der Region

Der Rorschacher Architekt Paul Gaudy projektierte die neue Kapelle. Das Bauvorhaben wurde vom Katholischen Administrationsrat St.Gallen genehmigt. So konnte am 14. September 1958 Dekan August Wagner, Gossau die feierliche Grundsteinlegung vornehmen. Der damalige Ortspfarrer Augustin Ammann verfasste dazu eine Urkunde und bekräftigte damit den historischen Akt. Mit der Ausführung der Bauarbeiten wurde hauptsächlich das einheimische Gewerbe beauftragt. An die künstlerische Ausstattung des schlichten Kirchenraumes trug der Wiler Goldschmied Willi Buck mit schlichten Darstellungen der Muttergottes, Jesus Christus und dem Symbol Gottvaters aus getriebenem Kupfer bei. Die farbigen Fensterverglasungen entwarf der Gossauer Kunstmaler A. Bächtiger. Die drei Glocken, welche in der Glockengiesserei Eschmann, Rickenbach hergestellt wurden, spendeten die beiden Zuckenrieter Baumeisterfamilien Gottfried Schlauri-Klaus und Gottfried Schlauri-Bruggmann, die auch am Neubau massgeblich beteiligt waren. Am 8. Dezember 1959 weihte Bischof Josephus Hasler die neue Georgskapelle unter grosser Anteilnahme der ganzen Bevölkerung  feierlich ein. Nachdem der Neubau bezugsbereit war, fiel das baufällige alte „Chapeli“ der Spitzhacke zum Opfer. Dieser Abbruch stiess nicht überall auf Verständnis und wäre in der heutigen Zeit wohl kaum mehr möglich. Die kleinen Glöcklein der alten Kapelle zieren heute den Vorplatz der Georgskapelle.

Grundsteinlegung durch Dekan August Wagner, Gossau.
Der St.Galler Bischof Josephus Hasler weihte die neue Georgskapelle am 8. Dezember 1959 ein.
Beim 60-Jahr-Jubiläum feierte Bischof Markus Büchel mit den Zuckenrietern den Festgottesdienst.
Die Kapellgenossenschaft legt auch grossen Wert auf eine gepflegte Umgebung.
Willi Buck (Wil), gestaltete die symbolischen Figuren an der Chorwand.
Ein Ehrenplatz für die Georgsstatue im Chor der Kapelle.
Die beiden Glocken beim Friedhofeingang erinnern an die alte Kapelle.

 

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