TYPORAMA IN BISCHOFSZELL PFLEGT „GAUTSCHEN“-TRADITION

Ein besonderer Anlass fand am Montagnachmittag in Bischofszell statt. Zum Plausch der Zuschauer wurde Percy Penzel, der neue Leiter des Typoramas, Museum für Bleisatz und Buchdruck, zuerst gefesselt durchs Städtchen geführt und anschliessend im Hofbrunnen gegautscht. Somit ist er ein echtes Mitglied der Buchdruckergilde.


(Vroni Krucker)

Gautschen ist ein bis ins 16. Jahrhundert rückverfolgbarer Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer Freisprechungszeremonie in einer Bütte untergetaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird. Dieser Brauch hat sich bis heute fortgesetzt und – wie man sieht – auch in Bischofszell, wo der neue Leiter des Typorama, Percy Penzel, diesen «Tauchgang» über sich ergehen liess – allerdings mit grossem Plausch. «Mit dieser Wassertaufe sollen seine Fähigkeiten, die Murrereien und Hudeleien, welche sich in seiner Lehrzeit angesammelt haben, abgewaschen werden – das gibt Platz für Neue», erklärte Gautschmeister Leo Thurnherr und meinte weiter: «Besiegelt wird das Ganze mit einem Gautschbrief. Dieser wird dem neuen Gesellen überreicht, wenn er uns hier anwesende Schwarzkünstler, welche sich mit ihm auch abplagen mussten, zu einem Ess- und Trinkgelage eingeladen hat. Diese haben in früheren Zeiten bis zu einer Woche ausgeartet und die jungen Gesellen in die Schulden getrieben».

Ein echter Schwarzkünstler

Nach einer kurzen Rede des Gautschmeisters rief er: «Schwammhalter, näss den Schwamm. Lasst seinen corpus posteriorum fallen auf diesen nassen Schwamm bis triefen beide Ballen. Der durstigen Seel gebt ein Sturzbad oben drauf – das ist des Jünger Gutenbergs allerbeste Tauf.  Packt an, in den Brunnen». Mit dem vollendeten «Tauchgang» ist Percy Penzel ein echter Schwarzkünstler und übernimmt als Nachfolger von Paul Wirth, dem grossen Kenner der Materie, bei dem er sich während fünf Jahren intensiv eingearbeitet hat, ab 2020 die Leitung des Typoramas. Der 41-Jährige stammt aus Pasewalk in Deutschland. Vorher arbeitete er als Siebdrucker in einer Spielzeugwarenfabrik in Deutschland. Er wurde als «Schweizerdegen» gegautscht. Diese «Berufsbezeichnung gab es früher in dieser Form, wenn jemand Schriftsetzer und anschliessend Drucker – oder umgekehrt – gelernt hat. Als Zugezogener lebte er zuerst in Bischofszell, nun in St. Gallen mit seiner Lebenspartnerin und ihrem gemeinsamen Sohn.

Die Mitarbeiter bringen den «Lehrling» zum Gautschmeister…
…schon wird er hochgehoben…
…pflutsch … verschwindet er im Wasser des Hofbrunnens…
…um dann lachend wieder aufzutauchen.
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